Episode 28 mit Julia Wandt (Transkript)

Das folgende Transkript wurde durch eine KI (Auphonic Whisper ASR) erstellt.
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[1:14] Sabine Gysi: Willkommen bei SciComm Palaver. Mein Name ist Sabine Gysi. In jeder Episode diskutiere ich hier mit einem anderen Gast, worauf es in der Wissenschaftskommunikation ankommt. Heute unterhalte ich mich mit Julia Wandt. Sie verantwortet im Rektorat der Universität Freiburg den Geschäftsbereich Wissenschaftskommunikation und Strategie. Zuvor war sie Leiterin der Stabsstelle Kommunikation und Marketing sowie Pressesprecherin der Universität Konstanz, davor Beauftragte für Kommunikation und Marketing der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen. Julia Wandt ist Mitinitiatorin von SciComm-Support, der neuen Anlaufstelle bei Angriffen und unsachlichen Konflikten in der Wissenschaftskommunikation. Darüber hinaus ist sie regelmäßig in Projektgruppen und Anhörungen sowie als Beraterin zu Status Quo und Zukunft von Wissenschaftskommunikation und Strategieentwicklung im Wissenschaftsbereich aktiv. Wie zum Beispiel beim Bundesministerium für Bildung und Forschung und im Deutschen Bundestag. Fast zehn Jahre lang war Julia Wandt Vorsitzende des Bundesverbandes Hochschulkommunikation.

[2:27] Sabine Gysi: Hallo Julia, schön, dass du heute dabei bist.
Julia Wandt: Ich freue mich. Herzlichen Dank für die Einladung.
Sabine Gysi: Wenn ich ForscherInnen frage, warum sie zögern, sich in der Wissenschaftskommunikation zu engagieren, dann höre ich natürlich meistens die naheliegenden Antworten, zu wenig Anerkennung, kein Funding, keine Zeit, Prioritäten liegen anders. Gleich darauf folgt aber manchmal die Begründung, dass man Bedenken habe, Angriffen und Hass ausgesetzt zu werden. Julia, kommen solche Angriffe tatsächlich oft vor?

[3:02] Julia Wandt: Es hat auf jeden Fall zugenommen in den vergangenen Jahren. Also noch viel mehr als vor fünf oder zehn Jahren bekommen wir an den Hochschulen auch diese Rückmeldungen. Es fragen viel mehr WissenschaftlerInnen als noch vor ein paar Jahren nach, bitten um Unterstützung, wenn sie zum Beispiel auf ihren Social Media Kanälen, aber auch auf Veranstaltungen als Rückmeldungen von Interviews und so weiter Anfeindungen ausgesetzt sind. Also das ist nicht nur etwas, was wir im digitalen Raum beobachten, sondern auch im physischen Raum, im Präsenzraum. Es gibt in Deutschland noch keine richtig verlässlichen Zahlen dazu, aber wie gesagt, allein durch die wirklich zugenommene Anzahl an Personen, die Unterstützung brauchen, die auch Unterstützung dann bekommen von den Kommunikationsabteilungen und jetzt von einer Anlaufstelle, die wir begründet haben, kann man das auf jeden Fall sagen. Es gibt für den internationalen Raum zwei Studien und zwar wurden die von den beiden Wissenschaftsjournalen Science und Nature durchgeführt 2021 und 2022.

[4:21] Es gibt dort einen Fokus auf WissenschaftlerInnen, die sich mit Covid-19 befasst haben in ihrer Forschung. Und dort gaben in der Science-Umfrage 38 Prozent an, dass sie mindestens einer Art von Angriff, also das geht von Beleidigungen als das „Harmloseste“ bis hin zu Todesdrohungen als die schlimmste Ausprägung eines Angriffes ausgesetzt sind. Und in der Nature-Umfrage haben sogar 81 Prozent der Befragten die Rückmeldung gegeben, dass sie mindestens einer solchen Art eines Angriffs eine Anfeindung ausgesetzt waren. Du sprichst auch den Kontext der Pandemie an. In den letzten Jahren hatten wir ja mehrere Auslöser sozusagen, also Herausforderungen, denen sich die ganze Gesellschaft gegenüber sieht – dazu gehört zum Beispiel auch die Klimakrise – und die bewirkt haben, dass sich WissenschaftlerInnen häufiger öffentlich geäußert haben. Auch weil dies gewünscht und erwartet wird, dass sie etwas beitragen zur Lösung dieser Probleme. Forschende äußern sich also häufiger und dies macht sie natürlich auch angreifbarer.

[5:36] Ja, und dann gibt es auch einfach noch die Dimension, dass viele WissenschaftlerInnen kommunizieren möchten. Also es ist nicht nur, dass sie einer eventuellen Erwartungshaltung entsprechen wollen, sondern immer mehr WissenschaftlerInnen empfinden das oder sehen das als Selbstverständlichkeit und auch sozusagen als etwas, was sie gern gegenüber der Gesellschaft tun möchten, dass sie kommunizieren. Und dann ist es natürlich wichtig, dass sie auch Unterstützung bekommen. Du hast schon zwei der Themen genannt, also Corona, Covid-19-Forschung, Klimaforschung. Aber wir hatten das auch schon vor vielen Jahren in Bezug zum Beispiel auf Tierversuchsforschung. Insbesondere WissenschaftlerInnen, die zu Primaten forschen, wissenschaftlich arbeiten. Da ging es bis dahin, dass die Familien auch bedroht wurden und dass die Kinder nur noch mit Polizeischutz in die Schule gehen konnten. Also das ist leider ein Thema, was insbesondere bei gesellschaftlich relevanten Forschungsarbeiten, also bei Forschung mit einer hohen gesellschaftlichen Implikation immer wieder auftritt.

[6:44] Sabine Gysi: Ich bin froh, dass du das jetzt auch hervorhebst, diese intrinsische Motivation, dass also Forschende gegenüber der Öffentlichkeit kommunizieren und mit der Öffentlichkeit kommunizieren, weil sie auch das Bedürfnis haben, ihre Forschung nach außen zu tragen. Aber zurück zum Thema der Angriffe. Das Unterstützungsangebot SciComm-Support gibt es jetzt seit wenigen Monaten. Wie rege wird es denn nun bereits in Anspruch genommen?

[7:10] Julia Wandt: Also wir haben seit dem Start ein sehr positives und auch ein sehr hohes Feedback. Zum einen natürlich von Personen, die uns kontaktieren, die Rat suchen. Und das sind nicht nur WissenschaftlerInnen, sondern das sind auch WissenschaftskommunikatorInnen, die uns schon kontaktiert haben. Also die Anlaufstelle ist sowohl für WissenschaftlerInnen als auch für WissenschaftskommunikatorInnen selbst gegründet worden. Was wir auch schon seit Beginn des Jahres haben, also die Anlaufstelle gibt es jetzt seit 20. Juli dieses Jahres live und in der Beratung, aber auch seit Anfang des Jahres nehmen wir einfach auch ein sehr hohes Medieninteresse an dieser Neueinrichtung wahr. Das heißt, da haben wir einfach dann auch noch mal eine hohe Verbreitung und auch Bekanntmachung unseres Angebotes bekommen. Und ein weiterer Indikator dafür, dass es aus unserer Sicht sehr gut angenommen wird, ist auch, dass sich auch nach dem Start noch viele Einrichtungen gemeldet haben, die uns gerne unterstützen möchten. Also Einrichtungen, die selber zu bestimmten spezifischen Themen beraten und die uns dann bei solchen bestimmten Richtungen, aus denen die Anfeindungen auch kommen können, unterstützen möchten. Unser Fokus ist ja darauf, dass wir WissenschaftlerInnen und WissenschaftskommunikatorInnen im Rahmen ihrer Wissenschaftskommunikation unterstützen, also wenn man Angriffen oder unsachlichen Konflikten im Rahmen von Wissenschaftskommunikation ausgesetzt ist; das ist ein Angebot, was es bislang noch nicht gab. Also es gibt andere Anlaufstellen in der Wissenschaft wie Ombudspersonen, Anlaufstellen im Bereich der wissenschaftlichen Redlichkeit, aber es gab noch nichts bislang in Deutschland – und wir sind auch für Österreich und die Schweiz zuständig -, woran man sich wenden kann, wenn man im Rahmen der Wissenschaftskommunikation solchen Angriffen und solchen Konflikten ausgesetzt ist.

[9:14] Sabine Gysi: Ich würde gerne noch mit dir ein Thema aufgreifen, das ich mit verschiedenen Gästen hier im Podcast schon gestreift habe, etwa in der letzten Folge mit Ben Meyer. Und zwar geht es um die manchmal widersprüchlichen Ziele von Hochschulkommunikation versus Wissenschaftskommunikation. Ich bewege mich in meiner Arbeit für Hochschulen manchmal auch in diesem Spannungsfeld. Du bist besonders nah dran, glaube ich, an dieser Thematik, weil du ja im Rektorat der Universität Freiburg den Geschäftsbereich Wissenschaftskommunikation und Strategie verantwortest. Hochschulkommunikation und Wissenschaftskommunikation haben sich in den letzten Jahren angenähert und trotzdem stehen bei der Hochschulkommunikation, denke ich, Reputationsziele noch mehr im Vordergrund, während Wissenschaftskommunikation Wert darauf legt, dass vielleicht auch mal Prozesse und Methoden kommuniziert werden und nicht nur Erfolge gezeigt werden. Wie nimmst du diesen Widerspruch wahr und wie gehst du damit um?

[10:15] Julia Wandt: Also ich finde, dass sich hier, wenn wir jetzt mal auf die Hochschulen fokussieren, aber das Gleiche gilt aus meiner Sicht auch für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen genauso, dass sich hier wirklich sehr viel getan hat in den vergangenen Jahren. Also es ist so, dass wir eine Entwicklung haben in der Hochschule und in der Wissenschaftskommunikation an Hochschulen, die sehr stark qualitätsorientiert ist. Das heißt, so eine reine Erfolgskommunikation, dass man nach dem höher, schneller, weiter fragt und das auch in seiner eigenen Kommunikation mit aufnimmt an der Hochschule, das gibt es zum Glück kaum noch. Natürlich gibt es unterschiedliche Themen. Es gibt die wissenschaftlichen Themen, die kommuniziert werden und es gibt institutionelle Themen. Aber mein Ansatz ist immer, und das beobachte ich auch bei Kolleginnen, dass der Kern der Kommunikation an Hochschulen auch die Wissenschaft ist und auch sein sollte. Also 70, 80 Prozent der Themen, die kommuniziert werden, im Rahmen der ja dann doch auch wieder Hochschulkommunikation, sind wissenschaftliche Themen. Dann gibt es natürlich nochmal Themen wie Jubiläen oder personelle Entwicklungen.

[11:30] Aber zum einen hat das abgenommen, weil auch die Hochschulen merken, was auch für Themen relevant sind und was auch für Themen aufgenommen werden, und Hochschulen haben sehr wohl verstanden, dass der Kern auch ihrer Existenz sozusagen Studium und Lehre und Forschung ist. Das heißt, wenn man dann auch in der Kommunikation darauf schaut und sich fokussiert, da hat man einfach auch einen qualitativen Sprung gemerkt in der Kommunikation. Und da nehme ich jetzt gerne auch den Zeitraum der vergangenen 20 Jahre. Also da ist wirklich viel passiert. Du hast Methoden angesprochen und Prozesse. Ja, das ist aus meiner Sicht eine sehr positive Entwicklung. Ja, und das ist wirklich etwas, was die Hochschulen auch während der Corona-Pandemie gelernt haben, aber nicht nur die Hochschulen, auch die Politik, dass man, wenn man möchte, dass Kommunikation über Wissenschaft, zu Wissenschaft auch angenommen wird von den unterschiedlichen Anspruchsgruppen, also wenn sie auch akzeptiert wird, wenn sie verstanden werden soll, dass man dann auch wirklich mehr als die reinen Ergebnisse kommunizieren sollte. Also, dass man wirklich sagt, wir haben einen Trend weg von einer reinen Erfolgskommunikation, von einer reinen Ergebniskommunikation hin zu einer Kommunikation, die auch Einblicke in Zwischenschritte gibt, die, und das ist auch mein Ideal, auch mal kommuniziert, was nicht gelaufen ist, weil auch das wissenschaftliche Erkenntnisfortschritt ist. Und auch das hilft anderen Einrichtungen, anderen WissenschaftlerInnen, wenn viel offener, auch in der Hochschulkommunikation darüber gesprochen wird.

[13:16] Was vielleicht auch mal Versuche, Experimente waren, wo etwas ganz anderes herausgekommen ist, als man am Anfang dachte. Ja, und ich denke gerade am Beispiel der Impfkommunikation, also Kommunikation zur Notwendigkeit der Impfung gegen Covid-19, hat man das wirklich gelernt, dass es eben nicht gereicht hat zu sagen, ja, aber das müsste doch eigentlich jedem klar sein. Impfen ist gut, Impfen ist wichtig, damit man sich nicht ansteckt, damit man keine Spätfolgen hat. Da hat man dann wirklich auch verstanden, dass man auch zeigen muss, wie sich auch wissenschaftliche Meinungen in einem Zeitverlauf ändern können. Ich kann heute etwas kommunizieren, was Stand heute absolut richtig ist, korrekt ist und ich kann in einem halben Jahr als Wissenschaftlerin etwas anderes kommunizieren, was dann zu diesem Zeitpunkt genauso korrekt ist. Und dann muss ich aufpassen, dass die Gesellschaft versteht und dann nicht kommuniziert, dass gesagt wird, naja, Moment, einer dieser beiden Aussagen müssen ja falsch gewesen sein. Oder bei einer dieser beiden Aussagen hat sie sich irgendwie geirrt oder so. Und das kann man nur verhindern, wenn man sozusagen diesen zeitlichen Fortschritt von Wissenschaft versteht und auch diesen räumlichen. Ja, es kann gut sein, dass die Arbeit an einer Universität Freiburg zum selben Zeitpunkt etwas anderes herausbekommt als die Arbeit an einer Universität Hamburg. Nur als Beispiel. Auch vollkommen themenunabhängig, weil man vielleicht einen anderen Ansatz hatte, weil man andere Personen und dadurch andere Herangehensweisen hatte. Und das ist ganz wichtig, das zu kommunizieren. Und dann hoffe ich, dass wir ja noch weiter auch wegkommen von diesen vermeintlichen Widersprüchen zwischen Hochschule und Wissenschaftskommunikation, die ich zum Glück nicht mehr sehe, die ich aber verstehe und bei denen ich auch, wie gesagt, weiterhin hoffe, dass die Kommunikation so qualitätsgeleitet ist, dass man da auch immer weiter den Eindruck vermitteln kann, dass es diese Konflikte nicht gibt.

[15:18] Sabine Gysi: Ja, gut zu hören, dass diese Annäherung stattfindet, wie du sie beschreibst. Ein weiterer Partner in diesem Ökosystem sozusagen ist ja der Wissenschaftsjournalismus.
Da haben wir ja die Situation, zumindest beobachte ich das in der Schweiz, aber ich denke, in Deutschland ist es auch so, dass das Ressort Wissenschaft in den Redaktionen immer stärker abgebaut wird. Dass Stellen von WissenschaftsjournalistInnen wegfallen und dass Themen aus der Wissenschaft dann irgendwo, beispielsweise unter Gesellschaft, abgehandelt werden.
Und je nachdem, wie viel Raum dann noch überhaupt da ist für ein Thema, steigt da auch das Risiko, dass Erkenntnisse aus der Wissenschaft oder eben auch Erkenntnisprozesse verkürzt dargestellt werden. Dies kann wiederum zu frustrierenden Erfahrungen bei ForscherInnen führen, die dann vielleicht nach Wegen suchen, die Öffentlichkeit verstärkt direkt zu erreichen. Wo führt das Ganze hin, Julia?

[16:22] Julia Wandt: Ja, das ist ein schmaler Grat und es ist nicht nur in der Schweiz so, das ist auch in Deutschland so, dass in den vergangenen Jahren wirklich viel nicht nur in den Wissenschaftsredaktionen, sondern auch grundsätzlich in den Redaktionen von Zeitungen, ja auch Online-Medien abgebaut worden ist. Und was mir immer wichtig ist, es geht aus meiner Sicht gar nicht darum, ob es möglich ist, andere Zielgruppen direkt zu erreichen, sondern die Frage ist auch, ob man das möchte. Und als wissenschaftliche Einrichtung sollte man natürlich sich auch Formate überlegen, wie zum Beispiel Veranstaltungen oder auch eine Social-Media-Kommunikation, die gerne direkt erfolgen kann. Aber es muss aus meiner Sicht immer der Wissenschaftsjournalismus, der Journalismus insgesamt da sein, um da drauf zu schauen, um sozusagen als prüfendes Korrektiv da zu sein, weil also für mich wäre das überhaupt gar kein Erfolg, wenn eine Zeitung, ein Online-Medium eine Pressemitteilung eins zu eins abdruckt. Das finde ich im Gegenteil sogar gefährlich. Wenn sie das tut, weil sie alles geprüft hat und sich angeschaut hat und dann vielleicht keine Zeit hatte, meinetwegen. Aber so wie man das vielleicht vermeintlich dann als Erfolg der eigenen Kommunikation werten könnte, dass es übernommen wird, das ist es für mich überhaupt nicht. Im Gegenteil, es ist ein Zeichen dafür, dass es diese Entwicklung, wie du sie dargestellt hast, gibt. Und diese Entwicklung finde ich gefährlich. Also wir brauchen den Journalismus, alle Einrichtungen, auch über Wissenschaft hinaus, brauchen einen kritischen Journalismus. Und genau darum geht es ja, wenn wir von qualitätsgeleiteter Kommunikation an wissenschaftlichen Einrichtungen sprechen, dass wir selber uns dessen auch bewusst sind und dass wir natürlich sowieso von vornherein nach bestimmten Qualitätskriterien kommunizieren. Und das sagen die Hochschulen auch ihren WissenschaftlerInnen oder sie sollten es ihnen auch sagen.

[18:23] Dass es natürlich wichtig ist, dass JournalistInnen nachrecherchieren, dass sie auch schauen, wo forschen zum selben Thema andere Personen und wie sieht es dort aus, dass man das auch ein bisschen in Verbindung bringt. Weil ich finde, das ist auch immer dann sonst so eine Nischenkommunikation. Wenn eine Universität ein kleines Element einer wichtigen Krankheitsbekämpfung sozusagen veröffentlicht, dann ist es doch toll, wenn Wissenschaftsjournalistinnen und Journalistinnen gucken und sagen, wo gibt es noch andere Elemente. Im Idealfall kann man auch gucken, ob man das selber dann mal als Institution herausgibt. Weil ich finde, ja, du hast es vorhin gesagt, natürlich ist die eigene Kommunikation für die Reputation der eigenen Einrichtung zuständig, aber ich finde, man kann auch Reputation dadurch erlangen, wie man kommuniziert. Ja, ich kann auch dann sagen, wenn ich von vornherein auch vielleicht meine Mitkonkurrentinnen in Anführungszeichen mit aufnehme in die Kommunikation, wenn ich darauf hinweise oder wenn ich dann vielleicht wirklich dieses Angesprochene „aber bei uns ist mal das schiefgegangen oder an Universität Y wurde das gemacht und das ist anders“, wenn ich das von vornherein mit aufnehme, dann finde ich, ist es auch ein absolut profilgebendes Element für eine Hochschule und wir können nur hoffen an wissenschaftlichen Einrichtungen, dass der Wissenschaftsjournalismus und der Journalismus insgesamt stark bleibt, wieder stärker wird als er es zurzeit ist, weil wir ihn auf jeden Fall brauchen.

[19:55] Sabine Gysi: Ganz genau. Idealerweise kann der Wissenschaftsjournalismus den Gesamtkontext aufzeigen. Natürlich können das Institutionen oder Forschende auch versuchen, aber gerade von Forschenden kann man gar nicht erwarten, wenn sie so tief in der Materie drin sind, dass sie in der Kommunikation dann sozusagen die Vogelperspektive einnehmen.

Julia Wandt: Ja, und es gibt auch, also ich meine, man kann nicht immer vom Idealzustand und von dem, was alle irgendwie möchten, ausgehen. Es gibt mit Sicherheit auch Institutionen, wo man einfach nachrecherchieren muss und wo man vielleicht auch gucken muss, haben die wirklich transparent kommuniziert? Gibt es dort irgendwelche Befangenheiten, die vielleicht nicht offengelegt wurden? Gibt es dort vielleicht Finanzierungsquellen, die man sich genauer anschauen sollte und so? Also ich sage mal, wenn ich von dieser positiven Entwicklung gesprochen habe, und das beziehe ich jetzt gar nicht auf Hochschulen, das beziehe ich auch auf Unternehmen und auf Kommunikation insgesamt, dann ist das natürlich ein Ideal. Und man freut sich über jede Einrichtung, die dazukommt, genauso nach diesen Qualitätsstandards zu kommunizieren. Aber wir können auch genauso sicher sein, dass es nicht jede Institution intrinsisch motiviert auch tut.

[21:10] Sabine Gysi: Ja, und damit bringst du uns zum Thema der Gesamtstrategie einer Hochschule und welche Rolle eigentlich die Kommunikation darin spielen sollte. Denn was wir jetzt angesprochen haben, das geht ja weit über Kommunikation hinaus. Das ist eine Art von Dialog und Partnerschaft mit der Gesellschaft, die in der Vision einer Hochschule verankert sein sollte. Und ich habe im Vorgespräch mit dir schon herausgehört, dass hier in den letzten Jahren eine Entwicklung stattgefunden hat. Wie sieht die denn aus?

[21:44] Julia Wandt: Also einen Punkt, den ich dabei wichtig finde, hattest du auch am Anfang schon in Bezug auf die Personen der WissenschaftlerInnen angesprochen. Das Thema Wissenschaftskommunikation, Hochschulkommunikation braucht Anerkennung und Reputation in der Institution. Also nur, wenn WissenschaftlerInnen sehen, dass das, was sie über ihre Forschung, über ihre Lehre und über ihre Verwaltungsthemen, Gremientätigkeiten, die sie haben, hinaus dann noch in der Wissenschaftskommunikation tun, wenn das auch gewollt ist von der Hochschulleitung, wenn das Teil der Strategie ist im Idealfall oder wenn es auch anerkannt wird von Personen aus der Hochschule, dann ist es etwas, dass man ja wirklich von Anerkennung und Reputation sprechen kann. Das ist sozusagen das eine in Bezug auf die Personen und auch den WissenschaftskommunikatorInnen in den Einrichtungen tut es gut, wenn sie sehen, dass ihr Thema jetzt nicht oder der Bereich, den sie haben, jetzt nicht irgendwie ein Nischenthema ist oder dass sie sehen, „naja gut, eine Kommunikation braucht jede Hochschule, aber so richtig wichtig sind die uns nicht.“ Also wenn sie sehen, dass das anders ist und dass sie auch da an einem ganz wichtigen Bereich ihrer Institution arbeiten, dann verbessert das natürlich auch die Qualität. Ja, und ich denke, diese Entwicklung hat sich auf zwei Ebenen sozusagen geändert auch. Also es ist immer so schon gewesen und das hat auf jeden Fall auch nochmal an Bedeutung gewonnen.

[23:17] Dass die Kommunikation einer wissenschaftlichen Einrichtung dazu beiträgt, dass bestimmte Schwerpunkte, also auch wissenschaftliche Schwerpunkte selbstverständlich, dass bestimmte andere strategische Schwerpunkte, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit, Internationalisierung, dass die durch Kommunikation unterstützt werden können und man durch Kommunikation zu diesen Themen mit unterschiedlichen Anspruchsgruppen in den Dialog treten kann. Aber auch, und das war auch unser Ansatz in Freiburg, als wir diesen Geschäftsbereich Anfang 2021 gegründet haben, dass auch andersherum die Kommunikation bei allen strategischen und institutionellen Themen der Universität unterstützen kann. Also, dass nicht die Kommunikation am Ende eines Prozesses steht und dann denkt man vielleicht nochmal dran, jetzt auch die Kommunikation zu informieren, dass sie da irgendwie zu einem bestimmten Thema kommuniziert, sondern dass es sehr helfen kann, auch bei wissenschaftlichen Themen. Also auch zum Beispiel bei der Ausgestaltung jetzt von Exzellenzcluster-Initiativen in Deutschland oder bei Sonderforschungsbereichen in Deutschland, das sind beides sehr große Forschungsverbünde. Wenn man also dort von Anfang an mit dem Blick der Kommunikation drauf schaut und Tipps geben kann, auch bei bestimmten Sachen warnen kann, bei bestimmten Sachen sagen kann, das ist besonders innovativ oder neu, das könnte man noch herausstellen, dann hilft das der Institution aus meiner Sicht auf jeden Fall. Aber es ist auch von außen so, dass Wissenschaftskommunikation eine Aufwertung bekommen hat. Also wir merken, dass in Deutschland an den eben schon genannten Wettbewerben oder der Auswahl von Forschungsverbünden, dass dort Wissenschaftskommunikation mittlerweile ein festgeschriebenes Kriterium ist. Ja, früher war das noch freiwillig, da konnte man etwas zu schreiben, musste man aber nicht.

[25:14] Und jetzt ist es zum Beispiel so, bei der aktuellen Runde der Exzellenzcluster in der Exzellenzstrategie in Deutschland ist es ein festgeschriebenes verpflichtendes Kriterium. Das heißt, man muss sich Gedanken machen um die Wissenschaftskommunikation und das wird auch mit bewertet. Und das ist für mich auch ein Zeichen, wie die Wissenschaftskommunikation sich nicht nur insgesamt verändert hat in Bezug auf die Bedeutung, sondern, und das ist ja dann die Folge auch, und danach hattest du ja auch gefragt, was das dann auch für eine Auswirkung auf die institutionelle strategische Gestaltung einer Hochschule, einer wissenschaftlichen Einrichtung hat. Und was ich auch finde, und das hatte ich vorhin auch schon angedeutet, dass Wissenschaftskommunikation selbst auch ein profilgebendes Element werden kann. Also nicht Wissenschaftskommunikation nur im Sinne von, dass sie dabei hilft, wissenschaftliche Themen und Forschungsschwerpunkte, mit denen man sich profilieren möchte, bekannt zu machen – profilieren verwende ich hier immer wirklich im positiven Sinne, im Sinne eines Profilgebens – sondern dass man auch selber sagen kann, ich bin eine Universität, der Wissenschaftskommunikation so wichtig ist, dass ich die Wissenschaftskommunikation selbst mit all ihren Ausprägungen wie Werten, Qualität in den Mittelpunkt oder zumindest als ein wichtiges Kriterium in das Zentrum meiner universitären Strategie stelle.

[26:39] Sabine Gysi: Genau. Und von der Aufwertung der Wissenschaftskommunikation profitieren ja nicht nur die Institutionen, sondern letztendlich auch die Gesellschaft.

[26:48] Julia Wandt: Und darum geht es. Also mir ist immer ganz wichtig, Wissenschaftskommunikation ist kein Selbstzweck. Also wir machen Wissenschaftskommunikation nicht nur, weil wir es toll finden. Natürlich finden wir es toll und machen es deswegen, aber Wissenschaftskommunikation ist dazu da, um genau diesen gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen, um der Gesellschaft bestimmte Themen nahe zu bringen, bei kritischen Themen zu unterstützen. Und das ist ja auch nochmal sozusagen dieser Ansatz des SciComm-Supportes, dass wir nicht möchten, dass sich WissenschaftlerInnen und wissenschaftliche Einrichtungen aus der Kommunikation mit der Gesellschaft zurückziehen. Weil das ist fatal, wenn WissenschaftlerInnen sagen, ich möchte nicht angegriffen werden, ich möchte nicht in der Öffentlichkeit stehen, ich möchte nicht jeden Morgen Angst haben, wenn ich meinen Bluesky-Account öffne und deswegen kommuniziere ich nicht mehr. Das wäre wirklich auch für die Demokratie ganz fatal. Und das ist sozusagen aus meiner Sicht das, was hinter allem steht, was Wissenschaftskommunikation stärkt. Also nicht um der Kommunikation oder der Bereiche Willen stärken, sondern wirklich für die Demokratie, für die gesellschaftliche Auseinandersetzung, weil dafür die Wissenschaftskommunikation immens wichtig ist.

[28:17] Sabine Gysi: Du hast Bluesky erwähnt. Nun, das ist alles gerade sehr kurzlebig. Wir haben heute den 23. Oktober 2023 und übermorgen ist vielleicht alles wieder ganz anders. Wir wissen aktuell nicht, wie lange Twitter/X in Europa überhaupt noch zugänglich ist und oder ob es implodieren wird. Im Moment sind wir oder sind viele von uns aus der Community der Wissenschaftskommunikation auf Bluesky und Mastodon und am Umschauen und am Experimentieren. Und die Meinungen gehen ja auseinander, welche Plattform der Nachfolger von Twitter/X sein wird. Was denkst du dazu?

[28:55] Julia Wandt: Also letztlich ist es so, wie du gesagt hast, man kann das jetzt wahrscheinlich gar nicht final sagen für das, was in einem Jahr ist. Ich merke nur auch, dass Bluesky zurzeit einen höheren Zulauf hat, und auch jetzt im Vergleich zu dem, wo die Personen herkommen, also von Twitter/X, ja, viele auch sagen, da ist Bluesky nochmal intuitiver, nochmal einfacher und es ist nochmal mehr so, wie Twitter/X früher war. Aber Mastodon gibt es ja jetzt auch schon länger. Da wird häufig auch gesagt, dass es vielleicht ein bisschen zu kompliziert ist, auch mit den Instanzen, wie man kommuniziert. Aber letztlich final sagen kann man es nicht. Ich finde es gut, dass es Alternativen gibt. Und ich finde es auch toll, dass es nach Mastodon jetzt noch Bluesky gibt. Threads ist ja auch noch angekündigt für Europa. Das geht bei uns ja noch nicht. Da bin ich auch gespannt, was es ist, weil ich finde schon, dass alles, was dieser zu diesem genannten, wir tragen dazu bei, dass sich wissenschaftliche Einrichtungen und WissenschaftlerInnen nicht aus der Kommunikation zurückziehen, beiträgt, ist sehr gut. Und wenn es jetzt Netzwerke sind, wie zum Beispiel Mastodon oder zurzeit ganz stark Bluesky, dass WissenschaftlerInnen sagen und Einrichtungen sagen, dort fühlen wir uns wohler als auf Twitter/X, dort wird wesentlich weniger angegriffen, dort ist das Klima wirklich besser und dort wird wieder mehr darauf geachtet, was auch kommuniziert wird, dann finde ich das gut. Ja, ich persönlich mache es so, dass ich jetzt nicht sage, ich ersetze die eine Plattform sofort durch die andere, sondern ich schaue mir gerne auch alle an. Ich werde auch jetzt erstmal bei Twitter/X noch bleiben, weil das ist ja auch eine Diskussion und da kann ich auch jeden verstehen, jede verstehen, die sagt, „nein, ich gehe da raus. Ich möchte gerade aufgrund dieser Entwicklung auch in den vergangenen Wochen, die ja wirklich nochmal ganz extrem war, möchte ich da einfach nicht mehr sein, beziehungsweise ich möchte dieses Netzwerk auch nicht mehr unterstützen.“

[31:08] Ich habe mich dafür entschieden, das noch zu beobachten und noch zu schauen. Und das finde ich aber auch das Gute an Wissenschaftskommunikation. Das ist sozusagen in dieser Veränderlichkeit und auch in dieser Art und Weise, wie man auch auf Entwicklungen reagiert, dass man da dann auch einfach nichts Festgefahrenes hat, sondern man hat dann wieder Alternativen, man hat Möglichkeiten. Und ich bin gespannt, wie es um die Netzwerke in einem Jahr aussieht.

Sabine Gysi: Ja, ich bin auch gespannt. Und nun zur letzten Frage, die ich meinen Gästen hier bei SciComm Palaver immer gern stelle: Das Wissenschaftskommunikationsprojekt deiner Träume. Unbegrenztes Budget, unbegrenzte Zeit. Wie würde es aussehen?

[31:54] Julia Wandt: Ja, ich hoffe, dass meine Antwort jetzt nicht in die falsche Richtung geht, weil ich würde nämlich antworten, dass genau dieses Projekt seit dem 20.7. läuft. Ja, also der SciComm-Support ist ein echtes Herzensprojekt von mir, und mit unbegrenzten Ressourcen und auch mit unbegrenzten Einrichtungen, die unterstützen – also das wäre dann mein absolutes Ideal. Also wie gesagt, wir haben ja jetzt schon die Hochschulrektorenkonferenz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft als Partner. Wir haben HateAid und ganz viele andere tolle Einrichtungen, die unterstützen.

[32:28] Aber wenn man unter diesen idealen Voraussetzungen noch weiterdenken könnte, ja, dann wäre das wirklich toll, weil wie gesagt, mir das Thema jetzt schon sehr am Herzen liegt. Und wir haben die Einrichtungen ja auch zusammen als Bundesverband Hochschulkommunikation mit Wissenschaft im Dialog gegründet. Das heißt, das sind auch zwei Einrichtungen, die ja auch so im Herzen der Wissenschaftskommunikation stehen. Und also, wenn es diese idealen Voraussetzungen gäbe, da würde mir einiges einfallen, was man dann noch machen könnte für den SciComm-Support. Es muss auch nicht unbedingt vergrößernd sein, weil wir sind ja jetzt schon sozusagen zuständig auch für Deutschland, Österreich und die Schweiz, aber allein die Unterstützung, die wir dann bieten können, sei es auch auf juristischer Ebene, das merken wir ja jetzt auch schon in Verbindung mit der Kommunikationsberatung; also man kann die beiden Ebenen überhaupt nicht trennen, weil wenn ich entscheiden muss, ob ich auf Twitter/X irgendetwas antworte, auf eine Beleidigung, auf eine Diffamierung, dann hat das immer eine Kommunikationsebene und immer eine juristische Ebene.

[33:35] Sabine Gysi: Ich hoffe, dass potenzielle Partner und Förderer von SciComm-Support bis hierhin mitgehört haben. Herzlichen Dank dir für das spannende Gespräch.
Julia Wandt: Ganz herzlichen Dank.

[33:53] Sabine Gysi: Das war SciComm Palaver. Mein Name ist Sabine Gysi und ich habe mich heute mit Julia Wandt, Mitinitiatorin von SciComm-Support, unterhalten. Links zu all den Initiativen und Projekten, die wir erwähnt haben, findet ihr in den Shownotes unter scicomm.ch. Wenn euch dieser Podcast gefallen hat, bitte liked und teilt ihn und abonniert ihn auf eurer bevorzugten Podcast-Plattform. Und hört bald wieder rein. Bald gibt es neue Episoden.

 

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Wissenschaftskommuni­kation: Warum brauchen wir sie? Was will sie erreichen? Wie wird sie wirkungsvoll – und was kann sie am Erfolg hindern? Gespräche mit Akteurinnen und Akteuren. Idee / Produktion / Host: Sabine Gysi.

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